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Adventliche Besinnung wider die Resignation

    Es kommt ein Schiff, geladen bis an sein’ höchsten Bord,
    trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort. (GL 114)

„Es kommt ein Schiff“, so beginnt eines unsrer schönsten Adventslieder. Wie viele Menschen haben schon am Ufer des Meers gestanden und sehnsüchtig ein Schiff erwartet! Sie haben oft gegen die Hoffnung gehofft, dass der geliebte Mensch doch noch kommt. Oder auch, wie es in einer Nikolaus-Legende erzählt wird, dass sie das Schiff mit dem dringend erwarteten Getreide kommen sehen.

Das im Lied Erwartete ist, so sagt es das Lied, Gottes Sohn. Die Erwartung war von Gott selbst geweckt worden durch Seine Verheißung, Er werde uns Menschen nicht in der Verlorenheit lassen. Sein Wort, das von Anfang an war (1 Joh 1,1), erreicht uns im Menschen Jesus, der uns von Gott als Sein geliebtes Kind vorgestellt wird (Mk 1,11).

Das Schiff wird beschrieben als „geladen bis an sein’ höchsten Bord“. Die Gabe Gottes ist überreich. Sie soll ja für uns Leben sein, Leben im Überfluss (Joh 10,10). Im Gegensatz zu dem, was die Welt erfahren lässt, was für viele Gnadenlosigkeit bedeutet, Diskriminierung, Entwürdigung, ist Gottes Gabe Heil. Das zeigte sich darin, wie die Menschen Jesus erlebten. Als Jesus die Gottesbotschaft des Jesaja als Frohbotschaft aufzeigte, „staunten die Menschen über die Worte der Gnade, die aus seinem Munde kamen“ (Lk 4,22).

Für die Menschen, die, in der Bildsprache des Liedes, den Horizont des Meeres absuchen, um das von Gott Verheißene wahrzunehmen, ist die Gabe Gottes mehr, als sie erwarten. Das Gnadenhafte, so wie es in Jesus erfahren wird, wird als göttlich erlebt. Ein schönes Bild dafür ist das Ausschauen am Meer. Im Horizont geht das Irdische ins Himmlische über. Dieses Geheimnis im Blick auf Jesus durchzieht die Botschaft der Evangelien: „Ist das nicht ein Sohn Josefs?“ (Lk 4,22) „Keiner kennt, wer der Sohn ist, nur der Vater“ (Lk 10,22).

    Das Schiff geht still im Triebe, es trägt ein teure Last,
    Das Segel ist die Liebe, der Heilig Geist der Mast.

Das Kommen Gottes zu uns, wie es sich als geschichtliches Ereignis in Jesus sich ereignet hat, ist auch ein übergeschichtliches Geschehen. Darum erleben wir die Adventszeit nicht nur als Erinnerung an das, was früher geschehen ist. Auch jetzt ist Gott am Kommen. Darum ist es verfehlt, aus der Adventszeit eine Zeit voller Hektik zu machen. Je lauter es zugeht, desto schwerer wird es wahrzunehmen, was geschehen ist und was geschieht. Die zweite Strophe des Liedes ist Ausdruck des in der Stille schauenden Menschen. „Nur auf Gott zu ist Stille meine Seele“ (Ps 62,2). In diesem Ausgerichtetsein auf Gott ist das stille Kommen Gottes zu begreifen. Jesus warnt vor einem aufgeregten Aufzeigen von Reich Gottes: Da - hier ist es! Oder: Dort ist es! (Lk 17,21) Das sind falsche Signale, falsche Aufforderungen, dort sein zu müssen -, nichts versäumen zu dürfen. Auch die Kirche mit ihren oft oberflächlichen Events, die Feste, die ihre Großen feiern, sind, vom Evangelium aus betrachtet, nicht die Glaubensereignisse, die wir brauchen. Das Glaubenszeugnis, das wir uns selbst, unsern Kindern und allen, die mit uns leben, zu geben haben, ist: die erkennbare Verbundenheit mit Gott im Gebet und im Gottesdienst-, das spürbare Teilen mit denen, die unsre Hilfe brauchen, nicht das halbherzige Abgeben aus dem Überfluss (Lk 21,4)-, das Wahrnehmen unsrer Verantwortung für eine Gesellschaft, für eine Welt, in der die Menschenwürde mehr zählt als die Karriere, die Gerechtigkeit mehr als die Macht, der Friede mehr als die durch Gewalt gesuchte Sicherheit.

    Der Anker haft’ auf Erden, da ist das Schiff am Land.
    Das Wort will Fleisch uns werden, der Sohn ist uns gesandt.

In der dritten Strophe ist das Bleibende der Gabe Gottes besungen. Der Mensch ist nicht geworden aus einer Laune Gottes, auf die kein Verlass wäre. Wir reden heute viel von Nachhaltigkeit, weil wir wissen, dass nur ein zuverlässiges Handeln Vertrauen zur Zukunft möglich macht. Wenn wir die geheimnisvolle Verbindung des Menschen Jesus mit Gott bekennen, an der wir als seine Geschwister teilhaben, dann sind wir überzeugt, Gottes Liebe zu uns Menschen ist bleibend. Der Anker des göttlichen Schiffes haftet auf Erden, da ist das Schiff am Land. Was wir mit dem Begriff Menschwerdung zu beschreiben versuchen, heißt ja, so unwahrscheinlich das klingt: Es gibt die Sehnsucht Gottes , dass wir be-greifen, was Er uns mitzuteilen hat -, die Sehnsucht Gottes, dass Sein Wort uns so erreicht, dass wir es als Erklärung Seiner Liebe verstehen und mit unsrer Liebe darauf antworten.

Die Botschaft des Advents: Gott will unsre Zukunft sein, und diese Zukunft hat schon begonnen.

Kurt Sohns, Offenbach

Zuletzt geändert am 05­.11.2007